9 Stufen der Konflikteskalation: So behältst Du die Zügel in der Hand

Die Dynamik, die bei Konflikten entstehen kann, wenn es nicht frühzeitig gelingt, sie zu befrieden, kann bis zur Vernichtung des „Gegners“ führen. Dies sehen wir in den heutigen Tagen leider deutlich am Russland-Ukraine-Konflikt.

Ich möchte Dir in diesem Artikel die 9 Eskalationsstufen und die Dynamik von Konflikten aufzeigen, sodass Du als Führungskraft frühzeitig die Lage erkennen kannst.

Im Anschluss zeige ich Dir, wie Du aktiv gegensteuern kannst.

So sieht es aus, wenn Konflikte völlig ausufern

Viele von uns sind in den heutigen Tagen sprachlos und geschockt über den Krieg in der Ukraine. Wir sehen in den Medien, wie Gesprächsangebote und Diplomatie scheitern und fühlen uns ohnmächtig, zuschauen zu müssen, wie Vladimir Putin trotz massivster Repressalien gegen sein eigenes Land an der Invasion und Vernichtung der Ukraine festhält.

Es scheint, als sei eine Dynamik eingetreten, die rationales Denken und Argumentieren außer Kraft setzt. Eine Dynamik, bei der es Russland nur noch um die Vernichtung des „Gegners“ geht, ohne Rücksicht auf den eigenen Schaden dabei.

Dieses drastische Beispiel lässt uns schmerzlich genau erkennen, wohin Konflikte führen können, wenn sie ausufern.

Die Dynamik der Konflikteskalation

Die Dynamik, die bei Konflikten entstehen kann, wenn es nicht frühzeitig gelingt, sie zu befrieden, zeigt der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl in seinem bekannten neunstufigen Eskalationsmodell. Dieses Modell stelle ich Dir hier vor.

Die Kenntnis dieser Konflikt-Dynamik ist für Führungskräfte äußerst wichtig! Du erhältst dadurch Orientierung über den Stand eines Konflikts und Hilfestellung, welche Deeskalations-Maßnahmen an welcher Stelle der Auseinandersetzung sinnvoll und Erfolg versprechend sind.

Das Eskalationsmodell von Friedrich Glasl

Hier gebe ich Dir eine Übersicht der 9 Stufen der Konflikteskalation. Die 9 Stufen werden dabei in 3 Ebenen unterteilt: Stufe 1 bis 3 gelten als win-win-Ebene, Stufe 4 bis 6 als win-lose-Ebene und Stufe 7 bis 9 als lose-lose-Ebene.

Eigenes Bild, in Anlehnung an Friedrich Glasl

Stufe 1: Verhärtung

Eine Auseinandersetzung beginnt mit Spannungen. Noch sind wir in einer „win-win“ Situation. Das Austauschen von unterschiedlichen Meinungen gehört zu einer lebendigen Kommunikation und wird deshalb nicht unbedingt als Anfang eines Konflikts wahrgenommen.

Wenn jedoch die Meinungen starre Formen annehmen und Standpunkte deutlich voneinander abgegrenzt geäußert werden, kommt der Verdacht auf, dass es tieferliegende Ursachen für die gegenseitigen Verstimmungen geben könnte.

In Deinem Team entzündet sich beispielsweise eine Diskussion darüber, wer für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich ist.

Stufe 2: Debatte und Polemik

Der Übergang von der 1. zur 2. Stufe zeigt sich daran, dass eine Konkurrenz ganz deutlich wird. Beide Parteien fangen an zu taktieren und die Gegensätze treten deutlich hervor.

Gespräche zeigen sich als Austausch von Behauptungen und Provokationen, um sich gegenseitig unter Druck zu setzen. Die Debatte mündet nicht in gegenseitigem besserem Verstehen sondern in Auseinandersetzung.

In unserem Beispiel finden Deine Mitarbeiter im Gespräch keine Einigung, sondern der Ton wird schärfer, und es kommt zum richtigen Streit.

Stufe 3: Taten statt Worte

Beiden Seiten geht es mittlerweile in erster Linie darum, die eigenen Absichten durchzusetzen und die andere Partei am Erreichen ihrer Ziele zu hindern.

Die Gespräche werden abgebrochen, verbale Kommunikation findet kaum noch statt. Es geht nicht mehr um den Austausch von Argumenten. Im Sinne von „da reden nicht hilft, folgen jetzt Taten“ soll die Gegenseite mit Handlungen und Tatsachen konfrontiert und somit überzeugt werden. Ärger und Wut stauen sich beidseitig auf.

Du kannst diese Stufe daran erkennen, dass bei Deinen Mitarbeitenden die Aufgabenerledigung im Zusammenspiel nicht mehr funktioniert und jeder „sein Ding“ macht.

Stufe 4: Koalitionen

Der Übergang in die 4. Stufe führt uns in die zweite Ebene des „win-lose“ (Stufen 4 bis 6). An diesem Punkt wird für den eigenen Standpunkt konkret Verstärkung gesucht.

Es werden Koalitionen mit bislang Außenstehenden gebildet, um die Gegenpartei zu bekämpfen. Diese Verbündeten sollen helfen, den Gegner vom eigenen Standpunkt zu überzeugen.

Es geht nicht mehr um Klärung, sondern um das Gewinnen des Konflikts. Gerüchte und üble Nachrede werden eingesetzt, der eigene Standpunkt wird idealisiert, der Blick verengt sich zunehmend, und eine sachliche Klärung wird immer schwieriger.

Du kannst diese Entwicklung deutlich daran erkennen, wenn es in Deinem Team Cliquen gibt, die geschlossen gegensätzliche Standpunkte vertreten.

Stufe 5: Gesichtsverlust

Beim Durchlaufen der bisherigen Stufen gab es bei den Parteien bereits Zweifel an der Aufrichtigkeit der Aussagen und Absichten des Gegners. Nun verdichten sich diese Verdachtsmomente, und die gegenseitigen Aktionen werden rücksichtsloser.

Auf eine faire Trennung zwischen Wirklichkeit und Unterstellungen wird nicht mehr geachtet – dies führt zu einem gegenseitigen tiefen Vertrauensbruch. Die Kommunikation ist durch Misstrauen vergiftet, und beide Parteien streben den Gesichtsverlust der anderen Seite an.

In unserem Team-Beispiel überwiegen nun persönliche Angriffe, Schikanen und Bloßstellen des Gegners, damit dieser sein Gesicht verliert.

Stufe 6: Drohstrategien

Beide Seiten versuchen nun, die Gesamtsituation unter Kontrolle zu bringen und durch Drohungen die eigene Macht zu beweisen und zu verankern. Der Handlungsspielraum wird immer enger.

Es kommt zu direkten harten Konfrontationen. Jede Seite bindet Koalitionspartner an sich, verpflichtet diese zu Parteilichkeit und zieht sie in den Streit hinein.

Es geht nur noch um Gewinnen oder Verlieren: Du oder ich, ihr oder wir. Es wird zu unlauteren Mitteln gegriffen, Entschlossenheit wird demonstriert, und eine diplomatische Lösung ist nicht mehr möglich.

Soweit wird es im üblichen Team-Alltag normalerweise nicht kommen, denn spätestens in der 5. Stufe wirst Du als Führungskraft eingreifen müssen, um eine produktive Zusammenarbeit wiederherzustellen und zu gewährleisten.

Ich zeige hier jedoch alle Eskalationsstufen eines Konfliktes auf und komme zur nächsten Stufe.

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Mit dieser Stufe erreichen wir die Ebene des „lose-lose“. Die Konfliktparteien sind mittlerweile davon überzeugt, dass die eigenen Ziele nur erreicht werden können, wenn der Gegner ausgeschaltet wird.

Menschliche Qualitäten werden beim Gegner nicht mehr anerkannt, dieser wird zunehmend als beliebig manipulierbar bzw. als vernichtbares Objekt betrachtet. Daher werden Angriffe geplant und ausgeführt.

In der Kommunikation spielt die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Gegenpartei keine Rolle mehr, denn es geht lange nicht mehr um die Ursachen des Streits. Der Konflikt ist von den Parteien ohne fremde Hilfe endgültig nicht mehr beherrschbar.

Es geht nur noch darum, dem Gegner Schaden zuzufügen. Dabei wird bewusst auch eigener Schaden in Kauf genommen, solange die Gegenpartei einen größeren Schaden hinnehmen muss.

Stufe 8: Zersplitterung

Mittlerweile ist die Absicht nur noch die existenzielle und nachhaltige Vernichtung des Gegners. Das „feindliche System“ soll zerstört werden mithilfe von Vernichtungsaktionen, die sowohl auf körperlicher, als auch auf geistiger, sozialer und seelischer Gewalt beruhen.

Eigener Schmerz und Schaden wird massiv in Kauf genommen. Im Beruflichen steht hier beispielsweise die komplette Vernichtung der Reputation des Anderen als Zielsetzung.

Stufe 9: Gemeinsamer Untergang

In dieser letzten Eskalationsstufe stehen die beiden Gegner bei einer totalen Konfrontation. Jedes Aufeinandertreffen der Gegner heizt den Konflikt weiter auf. Beide Seiten versuchen, die andere Seite in den Abgrund zu stürzen – auch zum Preis der eigenen Vernichtung.

Es gibt keinen Weg zurück, denn die Situation ist zu weit fortgeschritten und emotional aufgeladen.

Möglichkeiten zur Deeskalation des Konflikts

Auf der win-win-Ebene (Stufen 1 bis 3) sind die Konfliktparteien noch rational und emotional in der Lage, sich in die Gegenseite hinein zu versetzen. Du kannst also Feedbackgespräche anregen und mit einer strukturierten Gesprächsmoderation die Darstellung beider Standpunkte ermöglichen, sodass Lösungswege möglich werden.

Auf der win-lose-Ebene (Stufen 4 bis 6) sind die Fronten schon so weit verhärtet, dass eine Hilfestellung „von außen“ sinnvoll ist. Hier kann eine professionelle Mediation unterstützen. Im Privaten könnte ein Schiedsgericht eine gute Möglichkeit sein.

Auf der lose-lose-Ebene (Stufen 7 bis 9) können nur noch drastische Maßnahmen von außen den Konflikt stoppen. Das kann ein Gerichtsurteil sein. Falls der Konflikt innerhalb einer Hierarchie stattfindet, muss „von oben“ ein deutliches „Machtwort“ gesprochen werden. Bei Nichteinhalten der Vorgabe müssen drastische Konsequenzen erfolgen.

Die hier gezeigten 9 Eskalationsstufen kannst Du auf jeden Konflikt beziehen. Sie weisen Dich eindrücklich darauf hin, wie ernst Du die Konfliktdynamik nehmen solltest. Es ist also sehr klug, als Führungskraft mit Aufmerksamkeit die Arbeitsatmosphäre Deines Teams zu beobachten und früh bei Verstimmungen einzugreifen. Das kannst Du idealerweise während der 1. bis 3. Konfliktstufe tun, denn hier hast Du noch einen großen Gestaltungsspielraum für Gespräche und für die weitere Entwicklung der Situation. Ich stehe Dir sehr gerne zur Seite, wenn Du Deine Gesprächsführung und Konfliktfähigkeit schulen und ausbauen möchtest.

Lidia Stein


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