05. Aug 2021

Deine Arbeitsbeziehungen machen Dich sichtbar

Sehr oft führe ich Coachinggespräche mit Klienten, die sich vom Vorgesetzten oder Kollegen schlecht behandelt und unverstanden fühlen. Sie schildern mir ihre Enttäuschung und Frustration über die Worte und das Verhalten des anderen. Während sie sprechen, wird ihr Blickfeld immer enger und die Vorwürfe klingen mehr und mehr gekränkt und anklagend.

Was fehlt dem anderen?

Nachdem ich einige Zeit aufrichtig zugehört und dem Klienten Gelegenheit gegeben habe, sich Luft zu machen, stelle ich eine kurze, aber entscheidende Frage: „und was fehlt dem anderen bei diesen Begegnungen mit Dir?“. Für gewöhnlich ernte ich dann einen verwirrten, verständnislosen Blick, der sagen will: „wieso stellst Du so eine blöde Frage? Hier geht es doch um MICH!“

Und dann erst beginnt die Coaching-Session wirklich: in Beziehungen geht es nie nur um ein Element, sondern immer um ALLE, die an dem Austausch beteiligt sind. Im Zusammenwirken bildet Ihr nämlich ein System und beeinflusst Euch mit Aktionen und entsprechenden Reaktionen immerfort gegenseitig – wie bei einem Pendel. Dabei ist es absolut egal, ob es sich um eine Freundschaft, eine Liebesbeziehung, eine familiäre Beziehung oder eben auch um eine Arbeitsbeziehung handelt.

Kennst Du die 4 Gesprächsebenen?

Oft kommt vom Klienten dann eine Reaktion wie „ja, ja, das weiß ich ja und versuche, gerade im Beruflichen immer sachlich zu bleiben“. An dieser Stelle komme ich auf das Modell „Die 4 Seiten der Kommunikation“ von Schulz von Thun zu sprechen, der mit Hilfe dieses Modells zeigt, dass in der Kommunikation immer 4 Ebenen gleichzeitig (bewusst oder unbewusst) bedient werden:

  • die Sachebene mit den Fakten und Informationen
  • die Appell-Ebene mit der Botschaft, was ich mir vom anderen wünsche
  • die Ebene der Selbstaussage, weil ich beim Kommunizieren vermittele, was ich gerade fühle und
  • die Beziehungsebene, weil in meiner Kommunikation immer auch zum Ausdruck kommt, wie ich den anderen sehe, was ich über ihn denke und fühle.

Welche Ebenen bedienst Du?

Wenn Du Dich beispielsweise mit Deinem Vorgesetzten schwer tust, dann wirst Du versuchen, Dich auf die nächste Begegnung oder das nächste Gespräch ganz besonders gut vorzubereiten. Du legst Dir die Argumente parat (Sachebene) und überlegst genau, was Du bei dieser Begegnung erreichen willst (Appell-Ebene). Wenn Du in Selbstreflexion geübt bist, wirst Du zusätzlich auch dafür sorgen, dass Du Dich in eine positive, kraftvolle Stimmung bringst. Vielleicht überlegst Du auch, wie Du Deinem Vorgesetzten vermitteln willst, was Du von ihm brauchst, damit Deine Bedürfnisse erfüllt sind (Selbstaussage-Ebene). Doch wie viel Zeit verwendest Du während Deiner Vorbereitung darauf, den anderen in den Mittelpunkt Deiner Betrachtung zu stellen?

Damit ist gemeint, dass Du versuchen solltest, in die Haut des anderen zu schlüpfen, die Gesprächssituation mit seinen Augen zu betrachten: Was sind seine Argumente? Was sind seine Erwartungen an das Gesprächsergebnis? Und wie mag er sich bei der Begegnung mit Dir fühlen? Was sind wohl seine Bedürfnisse? Wie könntest Du dazu beitragen, dass auch er sich von Dir wertgeschätzt fühlt und aus Eurer Begegnung zufrieden und gestärkt hervorgeht? Wenn Du bislang keine Antworten auf diese Fragen hast, beobachte Deinen Vorgesetzten und/oder frage ihn.

Sieh und höre den Menschen

Mit einem solchen Verhalten zeigst Du Empathie und echtes Interesse und wirst damit bereits Vertrauen schaffen und Eure Beziehung verbessern. Vertrauen ist so etwas wie die geheime Zutat für konstruktive, freudvolle Begegnungen.

Du kannst Vertrauen schaffen, indem Du über Dich und Deine Bedürfnisse sprichst und dem anderen signalisierst, dass auch er und seine Bedürfnisse wichtig sind. Wir alle empfinden eine tiefe Sehnsucht danach, als ganzer Mensch gesehen und gehört zu werden. Auf dieser Basis wird Eure Zusammenarbeit echter, produktiver und für beide Seiten erfüllter.

„Beziehungen verändern uns, machen uns sichtbar, lassen mehr aus uns herauskommen. Nur wenn wir uns mit anderen verbinden, werden unsere Gaben sichtbar – auch für uns selbst.“

M. Wheatley & M. Kellner-Rogers

Mit diesem Blogartikel nehme ich an der Blogparade „Beziehungsgeflüster“ von Dr. Annette Pitzer (https://blog.annette-pitzer.de ) und Steffi Linke (https://liebe-und-beziehungen.de/blog/) teil.


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  1. Liebe Lidia,
    wir bedienen, die vier die Gesprächsebenen mehr oder weniger bewusst. So klasse, dass die sie uns ins Bewusstsein geholt hast. Nächste Woche habe ich ein Kooperationsgespräch, da werde ich ganz sicher mehr darauf achten.
    Alles Liebe
    Annette

    1. Liebe Annette,

      danke für Dein Kommentar. Ja, ich finde auch, dass wir zwar vieles wissen, doch im Berufsalltag nicht mehr daran denken und doch unbewusst agieren. Daher möchte ich gerne diese einfache, aber hochwirksame Wahrheiten immer wieder ansprechen und Tipps für praktische Umsetzung geben.

      Viel Erfolg und Spaß bei Deinem Kooperationsgespräch nächste Woche

      Liebe Grüße
      Lidia

  2. Liebe Lidia,
    mir gefällt der Artikel außerordentlich gut, weil er aufzeigt, dass ein "Wollen" im Miteinander alleine nicht ausreicht. Deine Anleitung zum Perspektivwechsel durch die Fragestellung: Was kann ich dem anderen geben? schafft (übrigens in jeder Beziehung) einen ausbalancierten Austausch auf Augenhöhe.
    Herzlichen Dank für deinen wunderbaren Beitrag zur Blogparade!
    Liebe Grüße,
    Steffi

    1. Liebe Steffi,

      ich danke Dir ganz herzlich für Deine Rückmeldung und für diese weisen Worte. Ein „ausbalancierter Austausch auf Augenhöhe“ – genau das meine ich 🙂 Es hat sehr viel Spaß gemacht, bei Eurer Aktion mitzumachen, und ich wünsche Euch sehr viel Erfolg.

      Herzlichen Gruß
      Lidia

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